US-Piloten navigieren mit dem iPad

Bis zu 12.000 Seiten Papier müssen einige Piloten im Cockpit noch bei sich haben. US-Fluggesellschaften ersetzen die dicken Handbücher und Karten jetzt durchs iPad. Ein Ziel dabei: Treibstoff sparen. Deutsche Piloten sehen die Apple-Tablets mit Skepsis. [...]

„Meine Damen und Herren, hier spricht Ihr Kapitän. Laut meinem iPad haben wir soeben unsere Reiseflughöhe verlassen.“ Was nach Apple-Hype klingt, ist in vielen Cockpits längst Wirklichkeit: Die Piloten der US-Fluglinie American Airlines (AA) dürfen den Inhalt ihrer gedruckten Handbücher künftig komplett aufs iPad bringen. Damit beschreitet AA den Weg zum papierlosen Cockpit und beginnt, die bisher üblichen Logbücher, Checklisten und Navigationskarten auf Papier in der Pilotenkanzel abzuschaffen.

Die Zulassung des 600-Gramm-Multitalents als Co-Pilot war für American gar nicht so einfach. Erst nach einer Testphase von mehreren Monaten und einem langen Genehmigungsverfahren gab die US-Luftfahrtbehörde grünes Licht. Die Erlaubnis für die iPad-Nutzung muss jede Airline selbst einholen, weil sich ihre Flugzeugtypen, Trainingsprogramme und Abläufe häufig unterscheiden. „American Airlines ist das erste Unternehmen, das diese Genehmigung für alle Phasen des Fluges bekommt“, schreibt die Fluggesellschaft stolz in einer Mitteilung.

Aus deutscher Sicht ist der amerikanische Wechsel zum iPad allerdings kein Sprung nach vorn, sondern der längst überfällige Schritt zum papierlosen Cockpit. „Lufthansa hat die Flughandbücher in Papierform schon vor 13 Jahren abgeschafft“, sagt der Sprecher der größten deutschen Fluggesellschaft, Michael Lamberty. Auch Papierkarten haben die Piloten der gelben Kranich-Linie nicht mehr an Bord. Stattdessen stellt ein speziell für Flugzeuge entwickeltes Tablet die nötigen Anwendungen bereit – vom Start bis zur Landung.

1,2 Millionen US-Dollar (rund 938.500 Euro) will AA mit dem iPad jährlich einsparen. Schließlich steigern die bis zu 16 Kilogramm schweren Sammlungen aus Karten und Handbüchern den Kerosin-Verbrauch. „Dies ist ein sehr aufregender und wichtiger Meilenstein für uns alle“, sagt John Hale, Vertreter der 8500 Piloten bei American Airlines.

Satte 12.000 Seiten Papier kann das konventionelle „Electronic Flight Bag“ (EFB) eines einzigen Piloten in den USA umfassen, rechnet AA-Konkurrent United Airlines vor. „Das ist nicht nur ein kleines Heftchen“, sagt Lamberty über die Papierberge, sondern eine Art „Bord-Bibliothek“. United begann im vergangenen Jahres damit, 11.000 iPads an die Piloten zu verteilen. Während in Deutschland seit vielen Jahren fast papierlos geflogen wird, scheinen US-Piloten nur langsam Druckerschwärze durch Displays zu tauschen.

Hierzulande bleibt die Flugbranche gegenüber Apples Alleskönner skeptisch. Als Verbrauchergerät mit geringerer Leistung sei eine Zulassung „eher schwierig“, sagt Benjamin Götze, Flugbetrieb-Manager bei Air Berlin. Ein iPad sei außerdem nicht so robust wie die Windows-XP-basierten Tablets der ersten Generation, die oft zum Einsatz kämen, erklärt ein Pilot einer großen deutschen Airline. „Wir benutzen die auch mal als Kaffeetisch, Türstopper oder Rückenkratzer“, sagt er. Die wichtigsten Dokumente muss er aber noch gedruckt bei sich haben – in dem Mittelstrecken-Flieger Airbus A320 etwa 100 Seiten Papier.

In den USA könnten auch die Flugbegleiter mit einem iPad ausgestattet werden. Bald könnten Anschlussflüge und Essenswünsche der Passagiere über das Gerät abgerufen werden, heißt es bei American Airlines – dann kommt die Crew nicht nur mit dem Tablett, sondern auch mit dem Tablet zum Sitzplatz.

*Thomas Cloer ist Redakteur unserer Schwesterzeitschrift Computerwoche. 


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