ISPA: Wie viel Zensur verträgt das Internet?

Beim Internet Summit Austria 2017 des Providerverbands ISPA wurde das Thema Zensur im Internet aus unterschiedlichsten Blickwinkeln beleuchtet. [...]

Seit vielen Jahren lädt die ISPA im September zum Internet Summit Austria, der sich als zentrales Forum der Internet-Community und der digitalen Wirtschaft in Österreich und über die Grenzen hinaus etabliert hat. Ziel der Veranstaltung ist es, dem Spannungsverhältnis zwischen den Interessen von Privatpersonen, Wirtschaft und Politik auf den Grund zu gehen und über mögliche Zukunftsszenarien zu diskutieren. Der diesjährige Summit am 13. September im Dachsaal der Urania in Wien widmete sich Zugangsbeschränkungen und Zensurmaßnahmen im Internet sowie der Verantwortlichkeit von Online-Plattformen.
Eröffnung mit Videostatement von Julia Reda
ISPA-Präsident Harald Kapper verglich bei seiner Begrüßung die unterschiedlichen Herangehensweisen der Staaten in Europa bei diesem Thema, umriss die Schutzziele der einzelnen Ansätze und betonte die Bedeutung einer gewissenhaften Auseinandersetzung damit. Er warnte davor, dass unsaubere oder überschießende Regulierung schnell zu „overblocking“ und damit zu gravierenden Eingriffen in die Rechte der Bürgerinnen und Bürger führen könne.
Die Eröffnung erfolgte durch Julia Reda, Mitglied des Europäischen Parlaments. In ihrer Videobotschaft ging sie speziell auf die aktuelle Diskussion rund um die Überarbeitung der Urheberrechtsrichtlinie ein, kritisierte die angedachte Einführung von Upload-Filtern und einem Leistungsschutzrecht für Presseerzeugnisse und betonte die damit verbundenen massiven Eingriffe in die Grundrechte jedes Einzelnen. Am Beispiel der zwanzigjährigen Geschichte der ISPA verdeutlichte sie, wie sich ein Leistungsschutzrecht auf die Verfügbarkeit von Informationen über die Tätigkeit der ISPA in der Vergangenheit auswirken würde. Sie betonte, dass, wenn qualitative Inhalte wie Zeitungsberichte nicht mehr frei verfügbar sind bzw. geteilt werden können, Nutzer wohl noch mehr auf fragwürdige Inhalte wie Fake News zurückgreifen würden.
Netzsperren und ihre Auswirkungen
Cyborg-Rights-Aktivist, Designer und Entwickler Aral Balkan plädierte in seiner Keynote für ein „‚Internet of People“, in dem persönliche Daten jedem selbst gehören. „Es ist missverständlich, dass wir beim Begriff ‚Daten‘ und beim Umgang mit ihnen nicht zwischen Dingen und Personen unterscheiden, als wären Informationen über Steine dasselbe wie Informationen über Menschen“, so Balkan und fordert: „Europa braucht progressive Technologie, die dezentral, für alle zugänglich und nachhaltig ist. Technologie, die Bürgerrechte schützt, Ungleichheit verringert und im Dienst der Demokratie steht.“
In der anschließenden Podiumsdiskussion, moderiert von Franz Zeller, debattierten – neben Aral Balkan – Nikolaus Forgó von der Universität Hannover, Burkhard Stiller von der Universität Zürich und Barbara Trionfi vom International Press Institute über ihren Zugang zum Thema Netzsperren. Für Stiller sind diese zwar technisch machbar, im weitesten Sinne allerdings unwirksam und stellen im Kern keinen Mechanismus zur erfolgreichen Sperrung von Inhalten dar. „Es sind immer Menschen beziehungsweise Gesellschaften, die zensieren, und nicht die von ihnen durchgeführten Netzsperren“, so Stiller. Damit werfen für ihn Netzsperren im Endeffekt die ethische Frage auf, wer über welche Inhalte und deren juristische Bewertung – schnell – entscheiden könne, ohne die Meinungsfreiheit oder gar den Schutz der Privatsphäre zu opfern. Forgó plädiert in Bezug auf allfällige neue Regeln für mehr Gelassenheit, für ihn gibt es derer schon genug: „Europäer haben die Tendenz strenge Datenschutzregeln zu fordern und zu verabschieden um sie danach zu ignorieren.“ Auch wenn Netzsperren meist in Diktaturen und wenig demokratischen Systemen eingesetzt werden, sieht Trionfi auch einen Anstieg in Demokratien. Besonders problematisch sind für sie die mangelnde Transparenz bzw. keine klaren Richtlinien und Möglichkeiten, auf die sich Nutzer berufen können, um gegen Netzsperren zu appellieren. „Des Weiteren werden diese Netzsperren ohne gerichtliche Urteile entschieden, was eine Verletzung der Menschenrechte und eine unrechtmäßige Beschränkung der Meinungsfreiheit bedeutet“, kritisiert Trionfi.


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